Land 3 / Reisetag 19

Diese Nacht war grauenhaft. Es war als würde sich die ganze Meute der Strassenhunde in meinem Quartier aufhalten und die haben ein dermassen grosses Spektakel veranstaltet, dass ich bezweifle, dass ich die einzige war, die bei dem Krach nicht schlafen konnte. Zum Teil hatte ich sogar das Gefühl, dass sie direkt vor meinem Zimmer ihre Kämpfe veranstalteten. Zudem hat es wieder so gestürmt und der Strom fiel dauernd aus, dass ich immer wieder vom Anschalten der Klimaanlage geweckt wurde.

Als mein Wecker klingelte, stand ich auf und machte mich bereit für den Tag. Es war mein letzter Richtiger Tag in Kathmandu und somit auch in Nepal. Zuerst wollte ich noch irgendwo frühstücken gehen, doch dann habe ich es mir anders überlegt und ging stattdessen nochmals kurz Geld wechseln und dann gemütlich zum Hotel der Aussies. Nach der üblichen herzlichen Begrüssung haben wir überlegt, ob wir ein Taxi nehmen wollen oder zu Fuss zum Affentempel, der Swayambhu Stupa. Schliesslich entschieden wir, dass wir die paar Kilometer innert ca. 40min zu Fuss gehen wollen.

Schon auf dem Hinweg zu ihnen ist mir aufgefallen, dass an diesem Morgen vor vielen Shops kleine Schalen mit Wasser und Blumen und sogar farbigen Pulver standen. Von ihnen erfuhr ich, dass ab heute ein Festival begann. Obwohl es noch nicht so spät am Morgen war, waren natürlich schon ganz viele Leute unterwegs. Wir mussten ständig aufpassen, dass wir von übereifrigen Taxi- oder Autofahrern nicht überfahren wurden, weil diese auch in diesen engen Gässchen kompromisslos überholten, oder uns den Knöchel verstauchten aufgrund der unebenen Trottoirs. Ich habe schon längst aufgegeben, da ich den Überblick bereits schon zu Anfang verloren hatte. Aber Deb hatte alles gut im Griff und uns immer den Weg gewiesen, auch wenn sie immer zuhinterst lief. Irgendwann liefen wir durch eine Strasse, die voller Metzgereien war und dann durch eine mit nur Bäckereien. Was das für einen Sinn macht, frag mich bloss nicht. Dann erreichten wir einen Fluss und sahen auf der anderen Seite das Ghetto von Kathmandu. Abfallberge stapelten sich, es stank gottsjämmerlich. Wir mussten dann ein Stück zurück laufen, weil wir zu weit waren und die Brücke hätten überqueren sollen. Von da an ging es leicht bergauf. Immer wieder quatschten uns Einheimische an und boten ihre Waren feil. 

Schliesslich standen wir vor ein paar grossen Treppen, an deren Fussende unzählige Statuen standen und überall tollten Affen herum. Einheimische hatten ihre Stände auf den Stufen aufgebaut und während du die Stufen zwischen dem Vergangenheits-Buddha und dem Gegenwarts-Buddha nach oben erklommst, traten sie zu dir und quatschten dich an, mit Klangschalen oder Gebetsketten in der Hand oder zeigte auf ihre gestickten oder gemalten Gemälde. Ob einem denn die Sachen gefallen? Sie hätten gute Preise. Ich dachte derweil immer an Lucille und viel voll die schon war, ich hatte wirklich keinen Platz mehr, obwohl ich schon Sachen entsorgt hatte. Von den vielen steilen Stufen kam ich ziemlich ausser Puste. Ich war bestimmt wieder ganz rot im Gesicht. Neidisch sah ich Rob und Deb nach, die das so mühelos zu meistern schienen. Klar, die machen ab Samstag auch den Everest-Base-Camp-Trek, und dennoch! Dann dachte ich wieder, dass ich doch bis jetzt auch ganz schön mithalten und meinen Rucksack stundenlang tragen konnte, und das, obwohl ich null Sport mache. Kurz vor Ende musste ich trotzdem eine Pause einlegen. Das fehlende Frühstück machte sich bemerkbar. Ich schwitzte und hatte sicher schon wieder das bisschen getrunkene Wasser verloren. Oben standen Rob und Deb, sie schoss bereits Fotos und er sah zu mir runter und motivierte mich. Ich kämpfte, nein quälte mich hoch. Endlich kam ich an der Eintrittskasse angekrochen. Die stand leider noch nicht auf der obersten Stufe, doch es waren danach nicht mehr viele. Da ich aber so fertig war, bedeutete mir der nette Wachmann, mich auf die Bank zu setzen. Tat ich natürlich umgehend und trank gierig aus meiner Wasserflasche. Nach ein paar Minuten hatte ich wieder genug Kräfte beisammen, dass ich meinen Geldbeutel raussuchen und bezahlen konnte. Danach erklommen wir die letzten paar Stufen und hatten es endlich definitiv geschafft: wir waren oben!

Es hatte bereits eine Million Leute, die sich alle an der kleinen Mauer entlang scharten und Fotos von der grandiosen Aussicht knipsten. Ein paar Schüler waren in weiss gekleidet und haben den Abfall aufgesammelt und zwei davon liefen mit einem Klimastreik-Schild durch die Tempelanlage. Deb und ich hatten aber jedoch Rob aus den Augen verloren, stiegen dann zwei, drei Stufen zu einer kleinen Nebenaussicht hinunter. Da hatte es aber einen Baum im Weg. So ging ich zur besseren Aussicht wieder hoch und konnte tatsächlich einen Platz an der begehrten Mauer erhaschen und super Fotos machen. Als ich die kleine Treppe wieder hinunterging, war auch Deb fort. Toll, jetzt hatten wir uns alle aus den Augen verloren. Ich entdeckte dann Rob und zusammen hielten wir nach Deb Ausschau. Diese stiess kurze Zeit darauf von der anderen Seite wieder zu uns. Plötzlich, ich weiss gar nicht mehr, wie das ganz genau ablief, stand ein Mann mittleren Alters vor uns. Wir kamen ins Quatschen. Er kam aus dem Schwarzwald und hatte sich früh pensionieren lassen und reiste in der Welt herum, weil seine Frau gut verdient. Ich glaube, dass sollte ich auch machen 😀 wir konnten uns kaum von ihm losreissen. Ich habe mich dann von ihm inspirieren lassen und bei der Dame direkt neben uns einen Teller mit frischen Früchten geholt. Was sich als keine so gute Idee herausstellte. Natürlich hat das die Affen angelockt. Und wenn ich einem Tier am wenigsten traue, dann sind das Affen! Ich meine, diese emotionslosen, starren Augen verheissen wirklich nichts gutes. Der eine kam dann auch direkt auf mich zu und ich habe ihm nur die saueren Ananasstücke hin auf die Mauer geschmissen, bevor er womöglich noch auf mich springen konnte. Dann habe ich den Teller aus Metall der Verkäuferin zurück gebracht. Als ich wieder bei den anderen war, meinten diese, dass das Füttern von Affen verboten sein. Die hatten nicht mitgekriegt, wie der auf mich loswollte. Ich habs ihnen dann gesagt und dann sind wir weiter. 

Wir sind übers Areal gelaufen, natürlich im Uhrzeigersinn, wie es sich gehört und wir in Tibet gelernt haben, und machten Fotos. Zwischendurch kreuzte immer wieder der Deutsche unseren Weg. Bei einer Ecke des Areals quatschte mich ein Verkäufer mit Klangschalen an. Er liess nicht locker und so hob ich wie geschwünscht die Hand und bekam in diese eine Klangschale. Er klopfte mit einem Stab dagegen und das Vibrieren erfasste zuerst meine Hand und kroch dann langsam über meinem Arm hoch, bis ich es überall spüren konnte. War ein angenehmes Gefühl. Ich kannte ja Klangschalen bis jetzt noch nicht, ausser vom Hörensagen. Normalerweise fahren die mit dem Stab dem Schalenrand entlang, er aber hatte geklopft. War auch wieder sehr spannend. Dann legte er noch eine zweite in meine andere Hand. Die war vom Ton her ganz anders, höher. Ich musste ihn dann aber trotzdem enttäuschen. Lucille hatte immer noch keinen Platz. Dann machten wir uns langsam an den Abstieg.

Unten kamen wir diesmal zwischen Gegenwarts-Buddha und Zukunfts-Buddha hindurch. Weswegen ich dann einen Spruch machte. Auf der Strasse setzen wir uns dann auf eine kleine Mauer unter einem Baum und machten kurz Rast. Während die Aussies hirnten, wo wir als nächstes hin könnten, sass ich daneben, sah ein bisschen in der Gegend rum und genoss es einfach. Auf der anderen Seite lief ein Strassenhund den Weg entlang, überquerte dann diesen, wobei er einen schlafenden Genossen streifte und diesen dadurch weckte. Der hatte gar keine Freude, blieb aber liegen. Der Strassenhund kam dann an uns vorbei und blieb dann zielgerichtet bei mir stehen und sah mich an. Ich hob langsam die Hand und tätschelte ihm den Kopf. Bei Hunden bin ich ja auch immer etwas vorsichtig. Der schloss genüsslich die Augen. Als ich aufhörte, schob er seinen Kopf unter meine Hand und bedeutete, dass ich weiter machen solle. Tat ich natürlich und kraulte ihn ausgiebig. Dieses Mal war es an den Aussies, einen Spruch fallen zu lassen. Die hatten derweil mit einem Taxifahrer den Preis für unser nächstes Ziel ausgefeilscht. So kraulte ich den Hund noch ein letztes Mal hinter den Ohren und stand dann mit den Aussies zusammen auf, folgte dem Fahrer zu seinem Fahrzeug.

Kaum waren wir eingestiegen, fing es an zu tröpfeln. Wir fuhren durch die Stadt an unserem Quartier Thamel vorbei, Richtung der anderen Stadtseite. Ca. 30min später liess uns der Fahrer vor einem Weg, der gesäumt war mit Ständen hinaus. Ich gab Rob meinen Anteil und wir stiegen aus. Draussen gab mir Deb viel zu viel Wechselgeld zurück. Ich wusste schon, dass diskutieren mit Aussies nichts bringt und sagte nur danke. Wir liefen durch die Stände und wurden natürlich von links und rechts belagert und angesprochen, Waren wurden uns unter die Nase gehalten. Doch wir lehnten immer dankend ab und liefen weiter. Dann kamen wir an eine Kreuzung. Wir entschlossen uns geradeaus zu gehen und dann nach rechts abzubiegen. Wir kamen an einen Metallzaun und sahen uns den Eintrittspreis für den Pashupatinath an. 1’000 Rupien? Die spinnen wohl, dachten wir und sahen uns an. Er war zwar wohl einer der wichtigsten Hindutempel und gehörte zur World Heritage Site, doch der Preis war uns dann doch zu hoch. So liefen wir am Zaun entlang, um zu schauen, ob man sonst irgendwo etwas sehen konnte. Wir entdeckten dann eine Öffnung, welche zur gegenüberliegende Flussseite ging. Wir wollten gerade zum Fluss hinab, als eine Polizistin zu uns trat und nach den Tickets fragte. Wir verneinten und gingen von dannen. Bei den Ständen machten wir eine kurze Pause und tranken eine Cola. Deb sah auf dem Handy nach, wie weit es bis nach Thamel war; ca. 1 Stunde. Wir entschlossen auch dies zu Fuss zu meistern und machten uns auf den langen Heimweg. Währenddessen musste ich natürlich die ganze Zeit aufs Klo, aber ich habe es bis ins Hotel verkniffen. In Thamel gingen wir noch etwas trinken ins Northfield Café, bei welchem ich am Montag bereits zu Mittag gegessen habe. Der Kellner war der selbe wie am Montag und hat mich gleich erkannt und gefragt, ob ich meinen Freunde mitbringe. Wir gönnten uns einen Drink zur Belohnung und bestellten ein paar Snackteller, welche sich aber als fast vollwertige Mahlzeit herausstellten. Es war mittlerweile mitten am Nachmittag und wir pappsatt. So vereinbarten wir betreffend unseres letzten gemeinsamen Nachtessens eine spätere Zeit und ich zeigte ihnen noch kurz, wo das Restaurant zu finden sei. Dann verabschiedeten wir uns voneinander und ich rannte ins Zimmer hoch und endlich aufs Klo.

Dann gönnte ich mir eine kurze Katzenwäsche, weil das Wasser immer noch kalt war und packte alles zusammen. Sortierte aus und schmiss weg. Nur die Thermosunterwäsche legte ich auf die Seite, weil ich diese Deb geben wollte, sonst hätte sie neue kaufen müssen und so bekamen meine ein zweites Leben. Schlussendlich hatte ich noch etwas Zeit, um ein bisschen zu lesen. Dann machte ich mich ein bisschen hübsch für diesen Abend. Weil es wieder einen Stromausfall hatte und sie auf der Strasse um die Ecke am Strom arbeiteten, hatte ich auch kein WLAN, weswegen ich irgendwann dachte, ich gehe nochmals ins Northfield und gönne mir da abermals einen Drink, dafür habe ich WLAN. Kurz danach machte ich mich auf den Weg ins Dalai-La, um die Aussies zu treffen. Kaum hatte ich mich hingesetzt, kamen sie auch schon. Wir hatten uns wohl offensichtlich verpasst, weil sie am Café hätten vorbei kommen müssen. Wir gönnten uns ein fettes Abendmahl, ein paar Drinks und hatte es einfach schön. Irgendwann kamen wir auf ein mögliches Leben nach dem Tod zu sprechen und wie wir bestattet werden möchten. Es war überhaupt nicht komisch mit ihnen darüber zu reden, ganz im Gegenteil. Es war sehr bereichernd. Schlussendlich haben sie die komplette Rechnung übernommen, die Schätze. Wir liefen zusammen das kurze Stück zur Kreuzung zurück. Dort nahmen wir uns herzlich und fest in die Arme. Deb würde ich in diesem Jahr nicht mehr sehen, Rob jedoch zu Weihnachten. 

Etwas wehmütig ging ich zurück ins Hotel. Dort lief endlich wieder der Strom, nur das WLAN ging immer noch nicht oder nur halbwegs.

Seid ihr auch schon gespannt, wie es weiter geht? Dann schaut rein bei der nächsten Episode von: „Relchen’s Adventures“!

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