Land 2 / Reisetag 6

Ich habe heute so ziemlich gut geschlafen und dann erst noch beinahe durch. Bei dieser Unterkunft ist das Frühstück inbegriffen und so durfte ich mich am Buffet bedienen. Da die meisten der anderen schon beisammen sassen und ich für mich keinen Platz sah, setzte ich mich einfach alleine an einen Tisch. Finde ich zwar schade, aber ich habe damit am wenigsten Probleme. Dann kam die Australierin, Deb, und setzte sich zu mir. Der Toast ging so, aber das komische körnige, Couscousähnliche Rührei war der Hit!

Anschliessend fuhren wir zum ersten der heutigen Klosterbesuche: Drepung. Das war früher das grösste Kloster der Region und ist heute noch einer der wichtigsten Wallfahrtsorte. Nach dem Eintritt und dem üblichen Sicherheitscheck gingen wir, wie kann es nicht anders sein, eine steile Treppe hoch und trafen an einer Kreuzung eine Frau, welche Zedernzweige verkaufte. Unser Guide erklärte uns, was es damit auf sich hatte. Für 10 Yuan kauft man einen Beutel voller Zweige, schmeisst sie in den offenen Ofen, dann 3 Löffel voll Pulver drüber (keine Ahnung, was das war. Habs nicht verstanden) und schliesslich 3 Wedel voll Wasser drüber. Damit ernährt man die Seelen der Verstorbenen bis sie wieder auf die Erde zurück können in ein neues Leben. Das fand ich voll schön und habe es natürlich mitgemacht. 

Dann ging es weiter Treppauf und ich musste plötzlich dringend aufs Klo. Hätte wahrscheinlich den Jasmintee nicht nehmen sollen beim Frühstück. Bei einem Treppenabsatz zeigte mir der Guide die Public Toilet. Da ich nebst meinem Hut natürlich auch das Klopapier vergessen habe, schnorrte ich mir die Rolle bei der Britin auf dem Selbstfindungstrip und sah mir die Toilette an. Es war ein kleines Gebäude in der Grösse eines Hühnerstalls mit zwei Eingangstüren für Männer und Frauen. Das Plumpsklo war eine Steinrille im Boden an der Rückwand entlang. Es gab keine Kabinen, lediglich ein winziger hüfthoher Sichtschutz zur Eingangstür hin und über die Rille hinweg als Trennung für zwei Nischen. Ich stand da und überlegte mir, ob ich soll oder nicht. Während alle draussen warteten, doofe Sprache klopften und lachten oder sich ekelten. Dann fand ich; scheiss drauf! Wortwörtlich! Und wollte mich gleich in eine der Nischen verziehen, sogar bei offener Eingangstür, als eine alte Tibetern herein kam. Sie sah mich an, wusste grad auch nicht, ob sie wieder gehen sollte oder nicht. Türe schliessen oder nicht. Und wir sahen uns an, konnten uns nicht verstehen und waren ein bisschen mit der Situation überfordert. Ich vor allem, weil ich nicht wusste, ob für sie das zu persönlich ist. Ich fragte sie mit den Händen, ob ich die Tür schliessen soll. Sie lachte auf die typisch tibetische Art und nickte. Dann verzogen wir uns in unsere Nischen und sie liess das Wasser auf ihrer Seite laufen, damit es auch bei mir spülen konnte. Während wir Hose öffneten und Röcke hochzogen, konnten wir uns noch kurz irgendwie peinlich berührt in die Augen sehen, bis wir uns dann hinhocken konnten, sozusagen Rücken an Rücken. Die surrealste Begegnung ever! Ich schloss die Augen und hatte noch mehr Mühe als sonst schon bei diesen komischen WCs zu pinkeln. Ich glaube sie auch. Denn es dauerte lange und schliesslich pinkelten wir zeitgleich! Ich war vor ihr fertig und zog die Hose hoch. Sie hatte etwas länger mit ihren Hundert Lagen Röcken. Während ich warten wollte, lachte sie nur und bedeutete, dass ich ruhig die Türe wieder öffnen und gehen könne. Ich lachte ihr freundlich zu und ging dann. Jep, also mehr Abenteuer geht echt nicht. Aber hey! Wer kann von sich aus schon behaupten, dass er einen Pinkelbuddy hat? Irgendwie mein tollstes Abenteuererlebnis bisher.

Wir erklommen weiter die Treppen bergauf und unser Guide erklärte uns den Pilgerpfad, sogenannte Kora, und alles. Ich drehte alle Gebetsrollen und machte Fotos. Im Labyrinth aus Tempeln, Gängen, Treppen, Innenhöfen stellte ich immer wieder ganz viele Fragen und beobachte das Geschehen um mich. Die Pilger opfern flüssige oder harte Butter an den Butterlampen überall. Die Lampen brennen mit verschiedenen Dochten und lassen die Butter schmelzen. Diese wird von den Mönchen aufgefangen und beim Eingang wieder verkauft. Zudem spenden oder opfern die Pilger Unmengen an Geld bei jeder möglichen Statue oder Bildnis oder sogar den einzelnen Mönchen. Dies soll ihnen Glück bringen oder den entsprechenden Buddha oder Gott ehren. Was ich so toll fand, war, dass so viele Familien kamen. Grossmütter mit ihren Enkeln, junge Mütter mit ihrer Mutter. Sie zeigten den Kindern, wie es geht und ich habe ein paar Mal kleine süsse Kinder hochgehoben, weil sie mit dem Geldschein nicht zum Schlitz der Opferkiste kamen.

Wusstest du, dass sie davon ausgehen, dass der zukünftige Buddha der letzte sein wird und er wahrscheinlich aus dem Westen kommen wird? Er ist nämlich ganz anders als die vorherigen vom Aussehen her und wie er sitzt. Dann kamen wir auf einen Platz, wo alle Mönche draussen auf dem Boden sassen und laut gebetet haben. Danach haben sie traditionsgemäss ihre Debattierrunde gestartet und die ist echt lustig, wenn auch voll strange. Der eine oder mehrere Mönche sitzen auf dem Boden, während andere stehen und auf sie einreden und dann wird so tanzähnliche Bewegung gemacht und ganz speziell geklatscht zur Unterstreichung, dass sie fertig sind. Aber sie lassen den am Boden sitzenden Mönch gar nicht erst zu Wort kommen und machen schon weiter. Der am Boden sitzende muss dann jeweils auf die Fragen Antwort geben können und das ist ebenfalls eine ziemlich hohe Kunst, die sie jahrelang erlernen müssen.

Bei einem Tempel scheuchte mich ein Mönch unter dem Schrank der heiligen Schriftrollen durch, damit diese mich segnen konnten und fand den Glatzkopf vom älteren Briten toll, der Gefängniswärter ist, fuhr sogar mit der Hand darüber. Das war dann echt ein lustiger Mönch! Schade konnten wir da keine Fotos machen.

Das Regal mit den Schriftrollen

Danach sind wir zum Lunch gefahren und ich war gleich hin und weg! Da hatte es zwei junge Kitten! Ich habe das erste gleich ein bisschen gestreichelt und schliesslich hochgehoben und geknuddelt. Das Katerchen war zuerst ein bisschen überfordert mit so viel Liebe und ungewohntem Verhalten, aber er hat sich doch ziemlich schnell entspannt und fand das Kopfkraulen total super. Meine Gruppe war ein bisschen schockiert über mein Verhalten. Ich habs ignoriert und nach dem Essen meine Schale mit dem Yakyoghurt den zwei Büsis gegeben zum Auslecken. Die waren dann hin und weg.

Gerade als wir gingen, kam eine Gruppe Schweizer ins Restaurant. Wir sind dann weiter zum nächsten Kloster: Sera. Dort habe ich dann den Geocache versucht zu machen. Bin aber noch nicht fertig, da ich noch was recherchieren muss. Wir konnten dort auch die Debattiertainingsstunde der Mönche besuchen. Das war dann ein Fest! Ein ganzer Hof voller Mönche, die übten, wie man richtig debattiert, sich bewegt und das Klatschen. Die einen hatten auch selber sichtlich viel Spass, was ich so schön fand.

Auf dem Rückweg kamen wir an einem Hundewelpen vorbei und die ganze Gruppe gleich: Aurelia! Puppy! Ich glaube, sie haben es mittlerweile verstanden! 😀

Zum Abendessen gingen wir in ein kleines Familienrestaurant und ich gönnte mit Reis mit Yakjoghurt. War ähnlich wie Milchreis, einfach definitiv kalt und mit Yakjoghurt, was richtig geil ist! Da ich so viel Yakfleisch oder -milchmässiges in mich stopfe, stinke ich auch allmählich wie eines. Auch hier kamen wir auf dem Rückweg an einem Kätzchen vorbei, worauf mich die Gruppe gleich aufmerksam gemacht hat. Was mich aber am meisten verstörte und verwunderte war, die Fragen danach. Die haben mich allen ernstes gefragt, ob ich denn keine Angst hätte mich mit Tollwut anzustecken. Ich habe zuerst das englische Wort nicht verstanden und als sie es mir erklärten, bin ich wohl aus allen Wolken gefallen. Ich habe sie angesehen und gesagt, dass die Katze mich schon kratzen oder beissen müsste, um mich anzustecken. Ich habe sie ja nur gestreichelt. Und Himmelarschundzwirn wir seihen doch im 21. Jahrhundert und nicht mehr im Mittelalter und ob sie denn auch immer noch glauben würden, dass man vom Küssen schwanger wird? Da hat der eine todernst ja gesagt und alle haben gelacht. Und ich glaube, die einen oder anderen haben heute auch nochmals was gelernt. Hoffe ich zumindest. Aber ist das nicht schrecklich wie hinterwäldlerisch manche Leute sind? Und dann noch Europäer? Aber ein Kompliment habe ich heute auch bekommen! Imfall. Die Selbstfindungsfrau hat mich heute angeschaut und gemeint: du bist total mutig! Wie du einfach so alles probierst und isst und trinkst und voll offen bist und keine Angst hast. Sie bewundere das. Habe mich gefreut und ihr dann erklärt, dass das für mich zur Reisephilosophie gehört. Habe dann im Bett wieder ein Buch fertig gelesen. Das zweite auf meiner Reise. Habe aber zum Glück ja genug Lesestoff.

Seid ihr auch schon gespannt, wie es weiter geht? Dann schaut rein bei der nächsten Episode von: „Relchen’s Adventures“!

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