Die Reise

Wir standen beizeiten auf. Es war komisch, wussten wir doch, dass wir uns für eine lange Zeit nicht sehen würden. Die letzten Sachen wurden noch gepackt, die Flauschies ganz fest geknuddelt und dann stiegen wir ins Auto. Lucille im Kofferraum verstaut. Wir gingen alles nochmals durch, ob ich ja auch nichts wichtiges vergessen hätte. Die Strasse war ziemlich ruhig. Am Flughafen stellten wir das Auto ab. Ich schulterte Lucille und nahm den gelben Tagesrucksack auf die Brust. So würde ich es auch in Zukunft alleine machen müssen. Deshalb war es eine gute Übung. Wir waren etwas spät dran, aber weil ich am Abend zuvor schon eingecheckt habe, war es okay. Ich musste nur noch Lucille aufgeben. Unsere Stimmung wurde immer gedrückter. Der Abschied nahte unweigerlich. Wir gaben Lucille auf und liefen Hand in Hand zum Eingang. Kurz davor blieben wir stehen, sahen uns an. Er hatte Tränen in den Augen, wie bei jedem Abschied. Das wussten wir von seinem Amerikaaufenthalt. Ich riss mich zusammen. Ich durfte nicht weinen, weil ich sonst doch alles abbrechen würde und hier bleiben. Bei ihm. Meinem grossartigen Mann. Also gab ich mich stark. Wir küssten uns innig. Wenn auch etwas zu kurz. Wir durften es nicht in die Länge ziehen, das würde es nur noch schwerer machen. Dann riss ich mich los und lief rasch durch die Ticketkontrolle und dort ein paar Meter hinein. Ich drehte mich kurz um und winkte durch die Menge, so rasch, dass ich mir nicht sicher war, ob er es gesehen hatte. Dann lief ich weiter. Was er sicher nicht sah, war, dass mir die Tränen über die Wangen liefen. Ab jetzt war ich auf mich allein gestellt. So viele Monate ohne ihn. So viele Monate ohne meine Katzen. Kein sicherer Hafen. Aber war es nicht das, was ich mir gewünscht hatte? Ein Abenteuer? Schliesslich hatte ich genug Bücher gelesen und Filme geschaut und immer gedacht; das will ich auch mal! Ich will was erleben und die Welt sehen! Ach, ich naives Ding! Hätte ich damals schon gewusst, was mir bevorstand, hätte ich mich wahrscheinlich unter meine Kuscheldecke auf dem Sofa verkrochen und mit Tigerkater geschmust, ein GinTonic in der einen Hand und ein Buch in der anderen.

Ich passierte die Sicherheitskontrolle und lief wie in Trance durch den Flughafen, vorbei an Dutyfree-Shops zur Bahn, welche mich zu meinem Gate brachte. Das Boarding hatte bereits begonnen und so reihte ich mich in die Warteschlange ein, nur um kurz darauf an den anderen vorbei zu dürfen, weil die Airline das Boarding nach Blöcken vollzog und meiner gerade dran kam. Ich packte kurz die wichtigsten Sachen aus dem Rucksack, welche ich während des Fluges benötigen würde; e-Reader, Schlaftabletten für den Anschlussflug, Reisedecke, Kopfhörer und iPod mit Hörbüchern.

Dann setzte ich mich an meinen Fensterplatz beim Notausgang, den ich extra gebucht habe, um mehr Platz zu haben. Das Flugzeug füllte sich rasch mir Arabern und Touristen. Ein Schweizer Pärchen kam und bezog die zwei Sitze neben mir. Irgendwann kamen wir miteinander ins Gespräch. Sie flogen nach Abu Dhabi für eine Woche Urlaub und wollten es sich einfach gut gehen lassen. Doch als ein Baby anfing zu schreien, musste ich mich entschuldigen, setzte meine Noise-Cancelling-Kopfhörer auf und lauschte den Abenteuern von Echo beim Schrecksenmeister.

Der Flug war ruhig und dennoch kamen wir ziemlich verspätet in Abu Dhabi an. Ursprünglich hatte ich schon nur 100 min Zeit, den Flieger zu wechseln und nun standen mir noch knapp 60 min zur Verfügung. Ich wurde nervös. Ich durfte den Anschluss nimmer verpassen. Das wäre eine Katastrophe! Kaum erlosch das Angurte-Symbol sprang ich auf und packte meine Sachen. Ich wünschte dem Pärchen schöne Ferien und sie mir eine tolle Auszeit. Dann quetschte ich mich auch schon in den Gang durch die anderen, wo ich wartete, dass die Türen geöffnet wurden und es weiterging. Durch die Fenster konnte ich sehen, dass wir auf dem Feld standen und nicht direkt am Gate. Auch das noch, dachte ich.

Als ich in der offenen Tür stand, verschlug es mir den Atem. Es war, als würdest du durch eine Feuerwand gehen. Es war 20 Uhr und immer noch über 35 Grad. Ich quetschte mich durch die anderen Passagiere und lief die Treppe runter. Unten stand ein Mitarbeiter und gab gerade das Zeichen, dass der Shuttlebus jetzt voll sei und abfahre. Ich stolperte fast über die letzte Stufe und rief, dass ich einen Anschlussflug erwischen müsse. Er sah mich an, nickte und trat zur Seite, so dass ich noch einsteigen konnte. Ein ausser Puste gerufenes «Thanks» und schon war ich drinnen. Die Türen schlossen sich fast augenblicklich hinter mir. Das Shuttle fuhr los und ich sah auf die Uhr. Noch 50 min. Mir lief der Schweiss in Strömen runter. Endlich hielt das Shuttle an und ich sprang raus und lief los. Natürlich musste ich auch hier durch die Kontrolle und wie es sich gehört in einem solchen Fall, musste ich anstehen und warten.

Noch 30 min. Ich rannte durch den Flughafen. Mittlerweile war ich klatschnass vom Schwitzen. Das Boarding lief schon, gemäss Plan. Warum zur Hölle muss mein Flieger auch noch am äussersten Gate stehen?, fragte ich mich, während ich an Reisenden vorbei rannte und den einen oder anderen aus Versehen anrempelte. Endlich erreichte ich das Gate und japste nach Luft. Hier war es voller Chinesen und diese standen bereits in einer Warteschlange. Ich reihte mich ein und versuchte mein Herz zu beruhigen und Luft zu bekommen. Erstmal checken, ob ich WLAN habe und meinem Mann schreiben kann. Glück gehabt. Wir schrieben uns kurz. Währenddessen hatte sich die Warteschlange nicht einen Millimeter bewegt. Dabei sollten wir bald fliegen. War ja auch sowas von klar, dass der jetzt auch noch Verspätung hat, wenn ich schon durch halb Oman renne, dachte ich. Endlich nach einer Ewigkeit konnte ich 3 Schritte tun. Hinter mir stand ein älterer Mann mit Bierbauch und weissem Bart und grüsste mich freundlich. Er schien ebenfalls etwas ausser Atem zu sein. Dann kam Bewegung in die Schlange und es ging Schlag auf Schlag und ich war im Flieger. Endlich, dachte ich und liess mich auf meinen Sitz fallen. Dieses Mal war es der Notausgang auf der anderen Seite des Fliegers.

Als die Flugbegleiterin kam, bestellte ich ein Tonic und nahm eine Schlaftablette mit einem grossen Schluck davon zu mir. Es war so eisig in Flieger, dass ich richtig froh über meine Reisedecke war, auch wenn diese teils doch nicht dagegen ankam. Es gab hin und wieder ein paar Turbulenzen, ansonsten war der Flug ruhig.

Wenn du über China fliegst, vor allem die Bergregion, ist es traumhaft. Es sieht aus als würdest du über lauter aufgeschichtete Kekse fliegen, durch die sich winzige reisekrankheitsfördernde, kurvige kleine Strassen schlängeln. Und überall diese Reisterrassen. Wirklich schön.

Der Flughafen war gleich mal verwirrend und ich war im ersten Moment ziemlich überfordert mit all diesen Schriftzeichen, dass ich nicht immer gleich das Englische fand. Doch überall waren sehr nette Helfer und ich stand nie lange verwirrt da. Ich musste ein Blatt mit allen meinen Angaben ausfüllen und meine Finger scannen. Auch sonst ist der Ablauf ähnlich wie in den USA. Die Dame am Zoll brauchte ewig und beäugte mich kritisch und prüfte alles in meinem Pass mehrfach. Als sie dann noch mein Chinavisum durchstrich, rutschte mir mein Herz kurz in die Hose, weil ich dachte, jetzt lassen sie mich nicht rein. Doch dann knallte sie den Einreisestempel in meinen Pass und ich durfte passieren. Ich nahm einen Zug, der mich innert 6 min zur Gebäckausgabe fuhr und ich hatte währenddessen immer noch Angst, dass sie meinen Rucksack verschlampt haben. Aber kaum war ich dort, hab ich vor Freude «Lucille!» gerufen, als ich sie sah. Die Leute guckten nur ganz kurz komisch. Ich packte sie, streichelte sie kurz freudig und fragte, ob bei ihr alles iO war und schulterte sie dann. Unsere Freundschaft ist tief schürfend. In der Empfangshalle wartete schon mein Fahrer, den ich im voraus gebucht hatte. Er konnte zwar kaum Englisch, aber dafür gibt es ja diese super Erfindung von Translation app, in die du reinredest und sie übersetzt. So konnten wir uns gut verständigen. Ich war vom Flug her sehr müde und döste die Fahrt über etwas.

Im Hotel ging zwar das WLAN, aber nur für Mail. Alle sonstigen Sozialkanäle waren gesperrt. Ich kam an und stand an der Rezeption zum Einchecken, als ein «Wir kennen uns doch» auf Englisch erklang. Ich sah zur Seite und da stand der ältere Herr von Abu Dhabi. Ich musste grinsen und bejahte. Er fragte dann, ob ich auch diese Tibettour mache. Wieder bejahte ich. Ich checkte ein, nickte ihm zu und fiel in meinem Zimmer einfach grad voll angezogen ins Bett und schlief gleich mal gut 5 Stunden, da es im Flieger dieses Mal einfach zu umbequem war.

Um 18.00 Uhr traf ich die Gruppe in der Lobby getroffen. Wir sind 9 Leute: 4 aus England, 2 Australier, 2 Deutsche. Unser Guide ist aus Tibet und kann uns deshalb nur bis zur nepalesischen Grenze bringen, weil er keinen Pass hat. Das Pärchen aus Australien lieh mir gleich mal 200 Yuan, weil ich noch nicht wechseln konnte bis morgen. Ich mag Australier. Beim Abendessen gab es Peking Ente und es war soooo, sooo lecker. Man isst die Haut mit Zucker allein und das Fleisch mit Konfitüre und rollt es zusammen mit Gemüse in eine Art Fladenbrot ein und es ist echt lecker. Bin ziemlich überrascht. Danach lag ich im Bett und las noch etwas. War ziemlich dehydriert und nahm mir deshalb vor, mehr zu trinken.

Seid ihr auch schon gespannt, wie es weiter geht? Dann schaut rein bei der nächsten Episode von: «Relchen’s Adventures»!

Packen

Die ganze Woche wurde der Rucksack ein- und wieder ausgepackt. Die Kleider wurden in Packing Cubes gestopft, rausgenommen, gerollt und wieder eingepackt. Einzelne Stücke wurden ausgetauscht, beiseite gelegt und abermals eingegliedert. Und dennoch passte nicht alles rein. Ich verzweifelte. Schliesslich wollte ich Lucille nicht schon von Anfang an vollgestopft haben, auch wenn ein paar Dinge mit der Zeit wegfielen, wie zB meine Thermounterwäsche und Kontaktlinsenzubehör. Also habe ich gegoogelt, stundenlang.

Auf all diesen Blogs und Internetseiten findet man Tipps und Tricks – aber für einen Rucksack mit 40 Litern und aufwärts! Lucille hat gerade mal 35 (und ein paar gequetschte) Liter. Ich hätte weinen können. Ich wollte einfach keinen neuen Rucksack kaufen nur für diese paar Monate. Das hiess aber nun: noch mehr Kleider abspecken. Von meinem letzten Abenteuer in Sri Lanka über Weihnachten des vergangenen Jahres wusste ich, dass man gut die Kleider im Hotelbadezimmer waschen kann. Mit diesem Gedanken zog ich ein paar Socken und Unterwäsche aus dem Haufen und legte sie zurück in den Wäschekorb. Ein paar Tops und Shirts folgten. Schliesslich mein geliebter Rock. Aber Hosen sind nun wirklich praktischer. Nur von meinen Kleidern konnte ich mich nicht trennen. Übrig blieben genug Kleider für 7 – 10 Tagen. Doch diese sind super, weil so ziemlich alle aus Merino sind und sich somit leicht ein paar Tage tragen lassen, ohne dass sie gleich müffeln.

Und natürlich hatte ich heute auch Hilfe – auch wenn diese eher hinderlich, denn hilfreich gewesen ist; denn der Tigerkater fand Lucille ganz toll. Er ist ja auch sonst schon ein «Höhlenkater», aber dass man aus Lucille ein Tunnel machen kann, findet er grossartig!

Seinem Blick nach zu urteilen, will er wohl nicht, dass ich gehe…

Morgen geht es also los. Das grosse Abenteuer Relchenzeit beginnt! Ich bin ein bisschen zwiegespalten; einerseits total freudig und gespannt, was auf mich zukommt und erwartet und andererseits schwingt da auch immer so eine gewisse Angst mit, unterschwellig, eben weil ich nicht weiss, was mich erwartet. Aber das ist ja normal, wenn man sich aufmacht, unbekannte Gewässer zu erforschen. Oder nicht?

Seid ihr auch schon gespannt, wie es weiter geht? Dann schaut rein bei der nächsten Episode von: «Relchen’s Adventures»!

Adventure awaits!

Adventure awaits! Es warten wahrlich Abenteuer auf mich! Denn langsam wird es ernst. Für mich. Am kommenden Samstag sitze ich im Flugzeug in Richtung der lang ersehnten Relchenzeit. Begleitet von meiner treuen Gefährtin Lucille. Das ist mein Reiserucksack, den mir meine Schwiegereltern mal auf den Geburtstag geschenkt haben.

Und dann gibt es kein Zurück mehr. Nein, es werden 15 Wochen Abenteuer sein, die vor mir liegen. In 15 Wochen geht es nämlich durch 10 Länder. Das heisst jeden Tag fremde Menschen, Kulturen und Landschaften. Das ist auch etwas beängstigend für mich. Heisst das doch, dass ich mich aus meiner Komfortzone bewegen muss. Weg vom Häuschen, meinen geliebten Flauschies und tausende Kilometer entfernt von der sicheren Armen meines Gatten.

Und dennoch freue ich mich sehr darauf. Auf all diese unvergesslichen Erinnerungen, die gemacht, Abenteuer, die bestreitet, und Schatten, die übersprungen werden wollen. Ich bin gespannt, an was und wie sehr ich persönlich an dieser Reise wachsen werde. Schliesslich ist eine solch grosse Reise kein Klacks.

Doch jetzt heisst es erst mal; gute Nacht! Morgen geht es weiter mit packen.